Dschabal Februar 2019
Es geht voran am Dschabal
Mitte Februar war Bassam Al-Manawi zum dritten Mal in Marokko. Er besuchte Familie Al-Kebdani und nahm die Situation der Menschen am Dschabal in Augenschein. Seit zwei Jahren unterstützt der Sozialkreis mit den Spenden vieler Sulzbacher Bürger*innen Flüchtlingsfamilien, die im Norden Marokkos gestrandet sind, vor den Toren Europas um die spanische Exklave Melilla. Mit vielen unterschiedlichen Eindrücken ist er wieder heimgekehrt. Andreas Bergmann hat ein Interview mit ihm geführt.
A. Bergmann: Bassam, wie geht es den Menschen am Dschabal?
B. Al-Manawi: Im Vergleich zum letzten Mal hat sich vieles verbessert. Das wussten wir ja schon über Videos und Bilder, die mir Karima und Raschid Kebdani geschickt haben. Aber es ist natürlich wunderbar, sich das alles selbst vor Ort anzuschauen und vor allem die tiefe Dankbarkeit der Menschen zu spüren. Zum Beispiel haben unsere beiden Gebäude Strom und zwar den ganzen Tag. So können die Familien jetzt einen gemeinsamen Kühlschrank und eine Waschmaschine nutzen, die mit Spenden aus Sulzbach gekauft wurden. Auch haben wir Raschid beim Kauf des dicken Stromkabels unterstützt. In Absprache mit den Behörden hat er dann 500 Meter überbrückt und so kurzerhand die beiden Häuser selbst angeschlossen.
Mich freute auch, die Kinder in ihren schönen, vor allem warmen Pullovern, Hosen, Schuhen und Anoraks zu sehen. Vieles habe ich wiedererkannt (lacht). Auch die Schulsachen sind im Einsatz und werden wie kleine Reichtümer behandelt. Die beiden Gebäude (Anm. AB: eingeschossige Atriumhäuser, in denen von einer Familie jeweils ein Raum bewohnt wird) sind von den Menschen selbst ganz gut hergerichtet worden. Das Wasser aus der Zisterne ist weiterhin gesichert, die Kochstellen der Familien wurden durch uns z.B. mit größeren Töpfen ausgestattet.
Unsere monatlichen Spenden für Lebensmittel sind vor allem für die Kinder wichtig, um wenigstens ohne Hunger leben und sich entwickeln zu können. 20 € pro Familie stellen wir Familie Kebdami zur Verfügung, um Reis, Öl, Mehl und Gemüse kaufen zu können. Fleisch ist zu teuer und deshalb nicht möglich.
A.B.: Bassam, ich habe den Eindruck, Familie Kebdani ist so etwas wie der dortige Sozialkreis...
B.A.: Ja, mittlerweile sind weitere Familienmitglieder und Verwandte in der Flüchtlingshilfe aktiv. Damit vor allem Familien, die noch weiter abseits in den Bergen leben, ins Dorf Zaio ziehen können, haben die Kebdanis zwei garagenartige Gebäude auf ihrem Gelände umgebaut. Dort sollen auf jeweils 36 qm zwei bis drei Familien gemeinsam wohnen. Toiletten, Bad und Küche werden gemeinsam genutzt. Auch eine Familie mit einer bettlägerigen Oma, die ich schon beim letzten Besuch kennengelernt habe, wird dort einziehen. Dafür haben wir bereits ein Pflegebett geschickt, das wir ihnen ausleihen. Diese Frau mit ihren Beschwerden in Decken auf dem Boden kauernd zu sehen, war unmöglich!
Die Gebäude sollten eigentlich vor dem Winter fertig werden, aber das hat aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert. Als ich jetzt dort war, wurden gerade die Türen und Fenster eingebaut, für die wir einen Zuschuss gegeben hatten.
A.B.: Vieles hat sich also schon zum Besseren gewendet, vor allem durch das Engagement der Kebdanis, aber auch mit der großen Unterstützung aus Sulzbach. Wo siehst Du die Perspektive für die Menschen? Was muss sich weiter verbessern?
B.A.: Allein, dass die 20 Familien zumindest die ärgsten Überlebenssorgen los sind, lässt sie aufatmen und selbst aktiv werden. Das verdanken sie zum Teil unserer Unterstützung, aber auch vielen weiteren Menschen vor Ort, die immer wieder Lebensmittel und zubereitete Speisen bringen. Ob sie irgendwann einmal ganz für sich selbst dort sorgen können, bezweifle ich. Zu schlecht ist der Boden, zu groß ist die Arbeitslosigkeit. In dieser Region sind einfach zu viele Flüchtlinge, dass nicht jeder eine Arbeit finden wird. Die jungen und ungebundenen Leute haben am ehesten eine Chance. Mich hat beispielsweise die Begegnung mit einer Familie geschockt. Auf dem Nachhauseweg vom Dschabal sind wir dort eher zufällig vorbeigefahren und angehalten. Uns begrüßten freudig sieben Kinder, die uns entgegenliefen. Erst als ich mit ihnen sprach, fiel mir auf, dass sie keine Schuhe anhatten, und das bei 5 Grad und steinigem Boden! Auf die Frage, wo denn ihre Schuhe seien, sagten sie - nach kurzem schamhaften Schweigen - dass sie überhaupt keine besäßen. Das tut mir im Herzen weh. Das Leben dort ist einfach nur hart, für diese Kinder und ihre Familien ist das Leben Tag für Tag ein einziger Überlebenskampf.
Andreas Bergman